Captrain Polska fährt Getreide aus der Ukraine

Captrain Polska transportiert Getreide über die polnisch-ukrainische Grenze. Aktuell sind es drei zum Großteil mit Getreide beladene Züge in der Woche, die über die Grenze zwischen Mostyska [UA] und Medyka [PL] gefahren werden. Der Transport erfolgt im Auftrag eines großen intermodalen Operateures.

Trotz der limitierten Kapazitäten an der Grenze wird nach Unternehmensauskunft intensiv daran gearbeitet, die Verfügbarkeit von Lokomotiven und Personal zu erhöhen, um zukünftig sechs Züge in der Woche zu fahren.

Foto: Captrain Polska

Polen kann von Ukraine-Krise profitieren

Die polnische Bahntransportwirtschaft kann von den Veränderungen durch den Krieg in der Ukraine profitieren. Dies erläutert Marcin Witczak, Präsident von Laude Smart Intermodal, in einem Interview mit wnp.pl.

So ermögliche die Infrastruktur auf polnischer Seite im Vergleich zu dem, was heute transportiert wird, ein Vielfaches an Gütern aus der Ukraine zu transportieren. Probleme bestünden mit der Grenzkapazität. Würde Polen die Chance nicht nutzen, ist absehbar dass Rumänien u.a. über den Tiefseehafen Constanța einen großen Teil der Verkehre aus der Ukraine übernimmt. Als Transportlösung schlägt der Laude-CEO vor, das Getreide zu Containerisieren und so den Umschlag von Breit- auf Normalspur wesentlich zu beschleunigen. Zudem bestünden Bestrebungen, einen Teil der Ukrainischen Bahninfrastruktur auf Normalspur umzurüsten, um so den Transport nach Europa zu beschleunigen.

Laude könnte im eigenen Terminal Zamość sowie im Euroterminal in Sławków theoretisch 5 Millionen Tonnen ukrainisches Getreide pro Monat umschlagen. In den Silos der Ukraine würden aktuell noch 25 Mio. t Getreide lagern, die dringend abtransportiert werden müssten, so Witczak.

Laude ist nach eigener Aussage der größte polnische Spediteur, der sich mit dem Transport von Gütern auf der Schiene aus der Ukraine befasst.

Ukraine-Krieg: Mehr Getreide durch Ungarn

Im Vergleich zum April des Vorjahres hat sich der von der Rail Cargo Group in Ungarn organisierte Transitverkehr von ukrainischem Getreide auf der Schiene in Ungarn vervielfacht. Das weitere Wachstum der Transporte ist durch die Umschlagskapazität und die Anzahl der verfügbaren Güterwagen begrenzt.

Im ersten Quartal von 2022 sind 41.000 Tonnen Ernte aus der Ukraine in der Organisation von Rail Cargo Logistics – Hungaria, der ungarischen Teilgesellschaft der Rail Cargo Group angekommen. Bis Ende Juni ist die Versendung von weiteren 85.000 Tonnen prognostiziert. Der Zielort des Getreides ist in den meisten Fällen Italien, kleinere Mengen kommen im Auftrag von ungarischen Kunden zur Bevorratung.

Die Routen an den Schwarzmeerhäfen müssen aufgrund ihres Ausfalls kompensiert werden. Dies führt wiederum zu einem Transportbedarf durch Ungarn, der sich auf fünf Millionen Tonnen Getreide pro Jahr belaufen würde. Dieser Nachfrage stehen die Leistungen der Umschlagskapazitäten (über 1.000 Tonnen/Tag) und die limitierte Anzahl der Güterwagen gegenüber.

Die Tochtergesellschaft der Rail Cargo Group in Ungarn, die Rail Cargo Hungaria (RCH), wickelt nach eigener Aussage 75 Prozent der ungarischen Getreidetransporte ab. 700 eigene und die 1.500 zugeteilten Getreidewagen der Rail Cargo Group stehen in erster Linie für die Exporttransporte von einer Million Tonnen ungarischer Ernte zur Verfügung. Obwohl RCH danach strebt, Güterwagen für die neuen Verkehre zur Verfügung zu stellen, kann die Nachfrage nur so gedeckt werden, wenn kundenseitig auch Wagen vorliegen, die nicht speziell für Getreidetransport gebaut wurden, aber ebenfalls für diesen Zweck geeignet sind.

Früher kam Getreide aus der Ukraine nur selten per Bahn nach Ungarn. Aus diesem Grund wurde die Kapazität zum Transport solcher Getreidemengen, einschließlich der Mittel zum Verladen und Lagern von Ernten, nicht errichtet. Darüber hinaus führen die derzeitigen Instandhaltungsarbeiten an der ungarischen Eisenbahninfrastruktur dazu, dass die Durchsatzkapazität der Strecke begrenzt ist. Der Zuwachs der ukrainischen Getreideverkehre startete schon im November 2021, da wegen der hohen ungarischen Ankaufspreise die Händler ihre heimischen Vorräte aufgefüllt haben. Die Kriegssituation beschleunigte das Versandtempo, und das Volumen der Ernte nahm ebenfalls zu.

Ukraine-Getreide mit RCG nach Österreich

Seit Kriegsbeginn hat die ÖBB Rail Cargo Group ihre Transporte von der Ukraine nach Deutschland verstärkt. Am 06.05.2022 ist die erste Getreidelieferung für Österreich eingetroffen. Damit ist der Grüne Korridor, den Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger angekündigt hat, bereits aktiv. Von März bis April 2022 hat die RCG 30 Getreidezüge aus der Ukraine organisiert. In Summe wurden dabei bereits 60.000 Tonnen Getreide transportiert. Seit Mai wurde die Anzahl der Transporte verdoppelt – somit fahren aktuell täglich Getreidezüge aus der Ukraine in die EU

Die weitere Planung sieht mindestens zwei Getreide-Transporte pro Monat aus der Ukraine nach Österreich vor. Auch hier wird aktuell ein Aufstocken der Intervalle geprüft. Jeder Zug besteht aus 25 Schüttgutwagen und transportiert jeweils 1.400 Tonnen Getreide.

Am 6. Mai kam der erste Zug mit ukrainischem Mais für Tierfutterzwecke in Österreich an. Ziel des Transports ist die Gemeinde Aschach an der Donau im oberösterreichischen Bezirk Eferding. Vor dieser Endstation hielt der Zug in Wien Kledering, wo er von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, dem ukrainischen Botschafter Vasyl Khymynets sowie ÖBB CEO Andreas Matthä in Empfang genommen wurde.  Von links nach rechts: Vasyl Khymynets, Elisabeth Köstinger, Andreas Matthä. Foto: ÖBB / Scheiblecker

LTG Cargo umgeht Weißrussland

LTG Cargo hat einen Testzug vom Kaunas Intermodal Terminal (KIT) für die Ukraine über Polen sowie in Gegenrichtung gestartet. Vom KIT aus kann die Fracht effizient in ganz Litauen und im gesamten Ostseeraum verteilt werden. Dies ist das erste Mal in der Geschichte Lietuvos Geležinkeliai (LTG), dass Fracht aus der Ukraine Litauen auf der Schiene unter Umgehung von Weißrussland erreicht.

Estnische Bahn sucht nach Alternativen

Der Güterverkehr in Estland ist nach Einführung der Sanktionen gegen Russland auf fast Null gesunken. Im vergangenen Jahr belief sich das Volumen noch auf 12,8 Mio. t, davon fast 9,5 Mio. t im Transit. Durch die Sanktionen gingen alle Transporte von Öl und Düngemittel aus der Republik Belarus verloren. Statt ganzer Züge verkehren heute täglich nur 10 bis 20 Güterwagen über die russische Grenze. Dies bedeutet für Estlands Eisenbahn, die vor einigen Monaten hauptsächlich mit dem Transport von Gütern aus Russland und Weißrussland beschäftigt war, sich neu orientieren zu müssen.

Kasachstan und Usbekistan, deren Getreide, Öl und Stahl zuvor die Häfen im Schwarzen Meer anliefen, begannen nach Möglichkeiten zu suchen, diese über andere Häfen im Baltikum und Finnland zu verschiffen, da das Schwarze Meer jetzt für die Schifffahrt gesperrt ist. Momentan wird kasachisches Getreide für das Terminal in Muuga erwartet, ebenso Öl für den Kraftstoffhändler Alexela, allerdings zunächst nur eine kleine Charge. Die russische Seite hat hier mit dem Transport von Metallerz für Fabriken in Belgien begonnen.

Die Ukraine möchte ihr Getreide über die baltischen Häfen exportieren, was aber auf einige Probleme stößt. Da man nicht mehr durch Weißrussland fahren kann und aufgrund der anderen Spurweite in Polen bedeutet das, dass sie ihre Waren zunächst in Polen auf Güterwagen mit 1.435-mm-Spurweite verladen müssten. Weder an der ukrainisch-polnischen Grenze noch an der polnisch-litauischen Grenze gibt es aber Ladestellen, an denen Getreide verladen werden kann. Estland hat zwar viele Getreideterminals mit Gleisanschluss, die Terminals könnten bis zu einer Million Tonnen pro Jahr per Bahn erhalten, die estnische Bahn hat aber keine Getreidewagen. Bisher wurden die Güterwagen meistens aus Russland gekauft, was heute nicht mehr geht.

Ein weiteres Problem sind die stark begrenzten Kapazitäten an der polnisch-litauischen Grenze, laut Angaben der litauischen Eisenbahn sind 4-5 Zugpaare pro Tag das händelbare Maximum, und die dortigen Containerterminals sind bereits mit eigenen Zügen von Kaunas nach Polen belegt. Es ist zwar möglich, Getreide in Containern zu transportieren, aber die Mengen, die aus der Ukraine exportiert werden müssen, sind aktuell sehr schwierig zu transportieren.

Joint Venture für ukrainische Exporte in die EU

Die Ukraine und Polen werden ein gemeinsames Logistikunternehmen gründen, das den Umfang der ukrainischen Exporte in die EU und via Europa auf die Weltmärkte drastisch erhöhen soll. Ein entsprechendes Memorandum haben die Ministerpräsidenten beider Länder, Schmyhal und Morawiecki, am 23.04.2022 in Krakau unterzeichnet.

Insbesondere sollen Eisenbahnlinien für Güter ausgebaut werden, die nicht über die von Russland blockierten Häfen transportiert werden können, während Teile des ukrainischen Bahnnetzes, das schon heute keine Verbindung zu Russland oder Weißrussland hat, gesperrt sind. Die Ukraine und Polen wollen gemeinsam technische und organisatorische Probleme lösen, wie etwa unterschiedliche Zollbestimmungen, Nutzung verschiedener Spurweiten oder die Suche nach einem neuen Fuhrpark.

Ukraine: Getreideexport per Bahn

Da die Häfen der Ukraine wegen der Kriegssituation geschlossen sind geht die
ukrainische Agrarforschungsagentur APK-Inform von der Verlagerung von Getreideexporten auf die Schiene aus. Als Größenordnung wurden 600.000 t pro Monat genannt. Vor dem Ausbruch des Krieges exportierte die Ukraine monatlich rund 5 Mio. t Getreide – mehrheitlich auf dem Seeweg.

Fliesenindustrie leidet unter Krieg in Ukraine

Die italienische Fliesenindustrie könnte durch den Krieg in der Ukraine Probleme bei der Rohstoffversorgung erleiden. Darauf wies Stephan Schmidt, CEO der im Tonbergbau tätigen Stephan Schmidt-Gruppe in einem Posting auf linkedin.com hin:

„In der Ostukraine, der Region rund um Donezk, werden plastische Tone für die Fliesenindustrie abgebaut. Jährlich Millionen Tonnen, die die Fliesenindustrie in ganz Europa versorgen. Länder wie Italien, Spanien und Polen sind massiv vom aktuellen Lieferstopp betroffen. Die Stephan Schmidt Gruppe versorgt die italienische Fliesenindustrie mit jährlich 500.000 Tonnen Ton. Hinzu kommen von weiteren deutschen Rohstofflieferanten nochmals 500.000t. Seit Jahrzehnten werden die Tone umweltfreundlich und nachhaltig per Waggon über die Schiene nach Italien gefahren. Unser Partner DB Cargo AG leistet seit Jahrzehnten gute Arbeit. Ich richte mich heute mit diesem Post an Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, denn die Anstrengungen, die bisher unternommen wurden werden bei weitem nicht ausreichen. Der Umlauf der Züge muss schneller werden, die Anzahl an Waggons muss kurzfristig erhöht werden. Es braucht mehr Personal, Redundanzen im System und smarte Lösungen, die schnell greifen. Die Reserven an ukrainischem Ton, die im Hafen in Ravenna / Italien liegen, reichen noch für circa zwei Monate. Danach werden pro Jahr 1,5 Millionen Tonnen Rohstoffe für die Fliesenindustrie in Italien fehlen! Es stehen zehntausende Jobs auf dem Spiel. Denn: Ohne Rohstoff – keine Produktion. Und: Ohne funktionierende Logistik – kein Rohstoff.“

Ukrainisches Getreide: Mehr Bahn statt Schiff

Der Krieg hat zur faktischen Schließung von Häfen geführt, über die die Ukraine landwirtschaftliche Erzeugnisse an Verbraucher in aller Welt exportiert. Dies ist nicht nur ein ukrainisches Problem, denn der Anteil des ukrainischen Getreides auf dem Weltmarkt liegt bei 11 % und der Anteil von Sonnenblumenöl bei 55 %. Jedes zehnte Brot auf der Welt wird aus ukrainischem Getreide hergestellt.

Um die weltweite Nahrungsmittelkrise und die Unterbrechung der ukrainischen Exporte einzudämmen, ist die Eisenbahngesellschaft Ukrzaliznycya bereit, die Lieferung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen per Bahn zu organisieren. Die Logistik für die Getreidelieferung an die rumänische, ungarische, slowakische und polnische Grenze wird derzeit entwickelt, von wo aus das Getreide zu den Häfen und Logistikzentren der europäischen Länder geliefert werden soll.