Elektrische Güterbahn auf weiteren acht Strecken

Das Bundesverkehrsministerium hatte Anfang 2019 ein Elektrifizierungsprogramm für die Schiene gestartet, welches jetzt um acht Strecken erweitert wurde (NKU-Quotient in Klammern):

  • 6827 Neuburxdorf – Mühlberg (7,92)
  • 2315 Duisburg-Hochfeld – Duisburg Mannesmann (3,21)
  • 6707 Gerstungen – Heimboldshausen (2,54)
  • 2404/2405 Flandersbach – Ratingen Anger – Tiefenbroich (1,86)
  • 6426 Borstel – Niedergörne (1,48)
  • 1300/1711 Bremerhaven – Bremervörde – Rotenburg(Wümme) (1,29)
  • 1552 Wilhelmshaven Ölweiche – Wilhelmshaven Nord (1,17)
  • 6409 Oebisfelde – Glindenberg (1,06)

Diese acht Elektrifizierungsmaßnahmen umfassen 200 Strecken-km und sind mit Kosten von rund 428 Mio. EUR verbunden. Es soll zusammen mit den Vorhaben aus BVWP/Bedarfplan Schiene, GVFG und Investitionsgesetz Kohleregionen nun alle Maßnahmen enthalten, mit denen das Ziel des Koalitionsvertrages erreicht werden kann, den Elektrifizierungsgrad des Netzes von 61 % auf 70 % zu erhöhen.

Pikant an dieser getroffenen Auswahl von ursprünglich 173 Einzelanmeldungen, von denen 34 Projektvorschläge in die Auswahl kamen, ist jedoch, dass es sich bei sechs der acht als förderwürdig eingestuften Maßnahmen um die Elektrifizierung der Anschlüsse von Industrie- und Gewerbegebieten handelt. Nur bei zwei dieser sechs Maßnahmen wird die Elektrifizierung bis zum Übergabebahnhof umgesetzt, sodass die Güterzüge mit E-Traktion bis in den Verteilerbereich geführt werden können. Bei den anderen vier Maßnahmen hört die DB Netz AG eigene Ausbaustrecke jedoch vor den Übergabepunkten auf, die nicht elektrifizierten Lücken mit einer Länge zwischen 150 m und 1,5 km müssen die Unternehmen selbst schließen. Allerdings ist die weitergehende Elektrifizierung bis zu den Verladestellen häufig aus baulichen und betrieblichen Gründen bei den Unternehmen nicht möglich. Abhilfe könnte da nur die Anschaffung von Lokomotiven mit mehreren Antriebsmöglichkeiten, wie z. B. Last-Mile-, Hybrid- oder Dual-Mode-Lokomotiven schaffen.

Die beiden längeren Strecken Oebisfelde – Glindenberg und Bremerhaven – Rotenburg weisen teilweise auch Personenverkehr auf und haben erhebliche Resilienzvorteile. Bei der Zulaufstrecke zum Hafen Bremerhaven handelt es sich aber um eine NE-Strecke, für die aktuell keine Fördermöglichkeit besteht. Da es sich hier nicht um eine bundeseigene Strecke (evb) handelt, wird lediglich empfohlen, außerhalb des Projektes ergänzend zu prüfen, inwiefern eine finanzielle Unterstützung durch den Bund möglich ist. 

Dass nicht mehr lange Strecken als förderwürdig eingestuft wurden liegt oft daran, dass als Maßstab nur die aktuelle Nachfrage- und Infrastruktursituation herangezogen wurde. Außerdem ist teilweise eine falsche Systemabgrenzung festzustellen, so wurden z. B. bei den Strecken Oldenburg – Osnabrück, Löhne – Hameln, Bingen – Hochspeyer oder Hockeroda – Blankenstein dauerhafte Entlastungseffekte bei Hauptstrecken nicht beachtet bzw. durch den derzeit ungenügenden Ausbaustand gar nicht betrachtet. Die Karte zeigt zwar auch Strecken auf, die „abgebaut, stillgelegt oder entwidmet“ sein können, der naheliegende Lückenschluss Blankenstein – Marxgrün fehlt jedoch. Auffällig sind auch die verbleibenden riesigen Elektrifizierungslöcher im Cloppenburger Land, der Prignitz, im Harz, dem Sauerland und dem Thüringer Wald.

Umfangreicher wird der SPNV elektrifiziert, wo die Länder Maßnahmen mit bis zu 90 % mit Bundesmitteln nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) finanzieren können. Die jährlichen GVFG-Mittel wurden von ursprünglich 333 Mio. EUR auf 1 Mrd. EUR ab 2021 erhöht, ab 2025 sind es 2 Mrd. EUR jährlich. Die Vorhaben liegen vorwiegend in West- und Süddeutschland und umfassen auch lange Strecken wie Basel Bad Bf Erzingen und Radolfzell Friedrichshafen.

Als weiteres Ziel hat man sich gesetzt, dass bis 2050 100 % aller gefahrenen Zugkilometer elektrisch bzw. klimaneutral zurückgelegt werden sollen. Dafür sollen auf Strecken ohne Oberleitungen Züge nicht mehr mit Diesel, sondern mit alternativen Antrieben fahren (Batterie, Brennstoffzelle, synthetische Kraftstoffe). Die Förderung über die neue „Richtlinie zur Förderung alternativer Antriebe im Schienenverkehr“ soll in Kürze beginnen, für das Programm stehen laut Finanzplanung Haushaltsmittel in Höhe von 74 Mio. EUR bis 2024 zur Verfügung.

Im Umkehrschluss würde das quasi bedeuten, dass – wenn dies nicht nur die Anfangspackung darstellt – auf allen anderen Strecken keine Oberleitung zu erwarten ist, und so nur eine „Antriebswende“, aber bestimmt keine „Verkehrswende“ erfolgen kann. Zur Nutzung der Vereinfachungen durch das 2020 beschlossene Investitionsbeschleunigungsgesetz, durch das bezüglich der Elektrifizierung keine Planfeststellungsverfahren mehr notwendig sind, ist es aber ein kurzfristig umsetzbarer Schritt.

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