Der Bundesrechnungshof (BRH) hat einen Sonderbericht zur Lage bei der Deutschen Bahn AG publiziert. Die Bundesbehörde stellte fest: „Die Deutsche Bahn AG (DB AG) ist mehr und mehr mit Problemen überladen. Ihr Zustand hat sich in den letzten Jahren stetig verschlechtert – die DB AG verfehlt die Kundenansprüche an Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Im Jahr 2022 war mehr als jeder dritte Fernverkehrszug unpünktlich. Auch eine nennenswerte Verlagerung von anderem Verkehr auf die Schiene findet seit Jahrzehnten nicht statt.“
Der Bundesrechnungshof hatte im Jahr 2019 mit einem Sonderbericht auf die zahlreichen Missstände bei der DB AG hingewiesen. Aktuell stünden nach BRH-Einschätzung die DB AG und der Bund als ihr Eigentümer massiven strukturellen, finanziellen und betrieblichen Problemen gegenüber. Die Schieneninfrastruktur sei überaltert, in 2022 war auch mehr als jeder dritte Fernzug verspätet. In den bahnbezogenen Geschäftsfeldern sind nach BRH-Recherchen die Erträge rückläufig oder es werden massive Verluste eingefahren.
Nicht zuletzt aufgrund dieser Vielzahl an Problemen muss der Bund die DB AG finanziell immer stärker unterstützen. Trotzdem wuchs nach BRH-Auskunft die Konzernverschuldung seit dem Jahr 2016 um 5 Mio. Euro pro Tag an. So hat die DB AG mittlerweile einen Schuldenberg von über 30 Mrd. Euro angehäuft. Gleichzeitig fordert der Vorstand der DB AG immer mehr Geld aus dem Bundeshaushalt. Die DB AG entwickelt sich nach BRH-Aussage zu einem Fass ohne Boden.
Die Verantwortung für die Dauerkrise trägt nach BRH-Einschätzung die DB AG nicht alleine. Der Bund habe durch eigene Versäumnisse die Probleme weiter verschärft:
- Die eisenbahnpolitischen Ziele des Bundes seien inhaltlich nicht klar definiert. „Was für eine Bahn“ und „wieviel Bahn“ der Bund „zu welchen Kosten“ künftig haben möchte, sei ungeklärt.
- Dem Bund fehlte nach wie vor eine überzeugende Eigentümerstrategie. Es gelänge ihm nicht, die Geschäftstätigkeiten der DB AG auf die Interessen des Bundes auszurichten. Die DB AG nutze dieses Steuerungsdefizit und expandiere weiterhin in internationale und bahnfremde Geschäfte.
- Der Bund taste die integrierte Konzernstruktur der DB AG bisher nicht an. Er nähme sowohl Hemmnisse für den eigenen Einfluss als auch für den Wettbewerb auf der Schiene hin.
- Die im Juni 2022 angekündigte neue Steuerungsgruppe im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) stärke die gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten auf die DB AG nicht wie erforderlich – der langjährige Kontrollmangel des Bundes über den Konzern drohe sich so weiter fortzusetzen.
Der BRE kritisiert: „Die avisierte Fokussierung in der Konzernstrategie „Starke Schiene“ oder auch der zeitlich aus dem Ruder laufende „Deutschlandtakt“ sind – wie viele andere angekündigte Lösungsansätze – nur Worthülsen.“
Das Grundgesetz verpflichte den Bund, zum Allgemeinwohl eine den Verkehrsbedürfnissen entsprechende Versorgung mit Eisenbahninfrastruktur und Eisenbahnverkehrsangeboten zu gewährleisten. Die Dauerkrise der DB AG gefährde jedoch diesen Auftrag des Bundes. Der Bund müsse daher seinen Ankündigungen Taten folgen lassen und die DB AG wirksam, umfassend und schnell neu ausrichten, so der BRE:
- Der Bund muss in einem Gesamtkonzept nachvollziehbare Ziele für das System Eisenbahn entwickeln und so den grundgesetzlichen Gewährleistungsauftrag konkretisieren.
- Er braucht die seit langem angekündigte Eigentümerstrategie – insbesondere muss der Bund festlegen, welche Konzernteile sich künftig noch in Bundeseigentum befinden müssen, damit er seinen Gewährleistungsauftrag erfüllen kann.
- Die Struktur des Systems Eisenbahn muss weiterentwickelt werden. Hierzu gehört die Kontrolle über ein leistungsfähig auszugestaltendes Schienennetz. Den Wettbewerb auf die Schiene sollte er dabei fördern – eigene Eisenbahnverkehrsunternehmen sind dabei nicht unbedingt notwendig.
- Im Sinne einer aktiven Beteiligungsführung muss der Bund daher für einen angemessenen Einfluss sorgen. Hierfür ist eine wirkkräftige Steuerungsgruppe im BMDV unabdingbar, die der Rolle des Bundes als Alleineigentümer Rechnung trägt.